Laut, bunt, lecker. Das kleine südamerikanische Restaurant in meiner geliebten Sternschanze liegt zwischen Schulterblatt und Kräutergarten.
Die Cantina Polpular ist eine Liebeserklärung des Küchenchefs Cristián Orellanus an die Vielfalt und Finesse der lateinamerikanischen Küche. Er ist in Chile aufgewachsen und hat schon im Fisch- und Meeresfrüchte-Imbiss seiner Mutter in Talca die Liebe zur Verarbeitung von wundervollen Zutaten entdeckt. Sein Souschef Carlos Ledesma Mosquera kommt aus Peru und bringt höchste Kochkunst aus Lima auf den Tisch. Er wurde gerade erst von der Peruanischen Regierung zum kulinarischen Botschafter in Deutschland ernannt. Nicht zu vergessen Koch Nicolas Festing: Er zaubert mit kolumbianischer Leidenschaft auch vorzügliche vegetarische Gerichte. Ein Trend, der in Lateinamerika selbst noch nicht so verankert ist wie im Herzen des Hamburger Hipster-Viertels. Gemeinsam wollen sie etwas Neues entwickeln: eine Fusionsküche, die traditionelle Gerichte aufbricht und mit verschiedenen Einflüssen neu kreiert.

Mittendrin

Betritt man den mit bunten Fließen verzierten Raum, steht man mittendrin. Mitten in der Bar, mitten in der Küche, mitten in einem Restaurant in seiner Entstehungsphase. Es fühlt sich an wie die Erweiterung eines Streetfood-Stands in den pulsierenden Straßen von Valparaíso oder Lima. Die Cantina Popular ist nun seit einigen Monaten geöffnet, aber noch lange nicht fertig. Sie entwickelt sich. Bei jedem Besuch entdecke ich etwas Neues. Die Wand zieren Zeichnungen und Fotografien, z. B. von Feministinnen auf dem ersten interamerikanischen Kongress in Mexiko oder auch von kuriosen Straßenszenerien: Cristián kann zu jedem Bild eine kleine Geschichte erzählen.
Einmal zum Teilen, bitte!

Ich bin von dem kleinen Restaurant von Anfang an begeistert, es ist herrlich laut und voll. Es zischt auf dem Grill, ich höre das rhythmische Geräusch des Cocktail-Mixers und im Hintergrund trällern fröhliche, südamerikanische Songs. Wir bestellen kleine Gerichte und teilen. Es ist wie eine Fusion aus spanischen Tapas und frischen südamerikanischen Köstlichkeiten. Die traditionelle deutsche Aufteilung „Mein Teller! Dein Teller!“ mit gehobenem Zeigefinger gibt es nicht. Von allem etwas probieren, gemeinsam den Mix der sorgfältig zusammengestellten Zutaten erkunden und sich einmal ganz dem Essen widmen – ich mag das sehr.
Perfekt abgestimmt

Es gibt Ceviche vom Loup de Mer mit zart cremiger Leche de Tigre. Ceviche de Lubina, eine säuerlich-scharfe Variante mit köstlichem Rotbarsch, frischen Zwiebeln und roter Chili: perfekt für den Sommer.
Dazu noch gepresste und frittierte Koch-Bananen mit Avocado und einem frischen Chutney aus Papaya. Wer noch mehr kann, der bestellt gegrillten Oktopus und auch gebratene Rinderherzen, und und und… Die monatlich wechselnde Speisekarte, die in Zusammenarbeit der drei Köche entsteht, garantiert Abwechslung und immer neue Geschmackserlebnisse.
Sag mal
Diese Stimmung wollte ich mir genauer ansehen und habe mich mit Cristián zu einem kleinen Interview verabredet und ihm ein paar Fragen gestellt:

Birdsandfeather:
Wann wusstest du, dass deine Leidenschaft dem Kochen gilt?
Cristián Orellanus:
Schon sehr früh. Es ist praktisch eine Familientradition. Mein Vater war Koch, mein Mutter hatte ein kleines Restaurant, vielmehr einen Imbiss in Talca. Das ist die Stadt südlich von Santiago de Chile, in der ich auch geboren wurde. Dort gab es wunderbare Fischgerichte und frische Meeresfrüchte. Auch meine Großmutter war eine tolle Köchin und so haben mein Bruder und ich beide eine Ausbildung zum Koch begonnen.

Birdsandfeather:
Von Chile über Spanien nach Hamburg, wie kam es dazu?
Cristián Orellanus:
Schon bald bin ich nach Santiago de Chile gezogen, um meine Kochausbildung dort weiterzuführen. Mein Bruder ging dann nach Zürich in die Kochschule und ich folgte ihm. Mich allerdings zog es in andere Städte, aufregendere Orte, und ich landete erstmal in Bilbao auf der Meisterschule. Nach einigen Zwischenstopps in Mailand, Berlin und Dresden, brachte mich der Zufall nach Hamburg. Eine gute Freundin holte mich in diese wunderschöne Stadt, in der ich schon bald als Koch zu arbeiten begann – bei La Plaza, Ribatejo oder auch der Luncheonette in Ottensen.

Birdsandfeather:
Lieber schnelles Essen auf Streetfood-Festivals oder Slow Food in der Cantina Popular?
Cristián Orellanus:
In meiner Zeit bei den Kitchen Guerillas habe ich ein besonderes Kochkonzept gelebt. Die mobile Küche sucht nach kulinarischer Kultur, kocht mit hochwertigen Produkten und entwickelt immer wieder etwas Neues. Das ist auch für uns bei der Cantina Popular der wichtigste Motor. Im Vordergrund steht für mich der gemeinsame Genuss von hervorragenden Gerichten. Streetfood nährt in ganz Lateinamerika die Bevölkerung aus allen sozialen Schichten. Die Buden oder Straßenstände bieten meist kleine Gerichte – morgens, mittags, abends. Du bekommst dein Essen direkt auf die Hand, isst am kleinen Tisch neben dem Essens-Stand, oder gehst weiter. Die Cantina Popular vereint die Tradition der kleinen Gerichte mit der entspannten Atmosphäre und dem Zusammensein in unserem Restaurant. Es ist also kein Gegensatz, sondern die Erweiterung von Streetfood.

Birdsandfeather:
Dein Fokus liegt auf lateinamerikanischer Küche. Was fasziniert dich daran?
Cristián Orellanus:
Die lateinamerikanische Küche bedeutet für mich Heimat, ein Stück Zuhause. Mich fasziniert die unglaubliche Vielfalt und Einzigartigkeit der Produkte. Die Kombinationsmöglichkeiten aus den verschiedenen Küchen sind noch lange nicht ausgeschöpft. Es gibt noch so viel zu kreieren.

Birdsandfeather:
Die Cantina Popular ist ein quirliger, lauter, bunter Ort, an dem Menschen zusammentreffen und sich viel zu erzählen haben. Was ist für dich das Besondere?
Cristián Orellanus:
Sie vereint die wertvolle Tradition der lateinamerikanischen Kochkultur mit moderner Gastronomie. Ein Ort, an dem Menschen zusammenkommen, um das Essen zu genießen, aber auch um etwas über diesen entfernten Kontinent zu lernen. Mit der Cantina Popular wollen wir auch ein Zeichen setzen gegen die Südamerika-Klischees, denn es steckt viel mehr dahinter. Wir zeigen die Liebe und Sorgfalt im Umgang mit unserer Kultur in jedem Detail – von den Zutaten bis zum Wandschmuck.

Drei Fragen. Drei Antworten.
Jeder Koch bekommt zum Abschluss des Interviews die gleichen drei Fragen gestellt.
- Welches ist dein Lieblingsgericht aus Kinderzeiten? Und: Isst du es heute immer noch genauso gerne?
Der Eintopf meiner Oma. - In welcher Stadt kann man weltweit am besten Essen gehen und warum?
Lima, denn es ist zurzeit das kulinarische Zentrum der Welt. - Der Kräutergarten hinter dem Restaurant, den sie so gerne als Terrasse nutzen würden, mit Liegestühlen und Hängematten…
Wenn du einen kulinarischen Wunsch frei hättest, was würdest du dir wünschen?
Ich wünsche mir eine anarchische Kochschule, in der mehr experimentiert wird. Die Schüler sollten aus meiner Sicht nicht nur mit fertigen Produkten kochen, sondern beispielsweise auch selbst Gemüse anbauen, um den Wachstumsprozess zu kennen und dieses Wissen in die Arbeit als Koch einfließen lassen können.
Ich bedanke mich herzlich bei Cristián Orellanus und der gesamten Crew der Cantina Popular – es war wundervoll bei euch!
Schaut auch ihr vorbei 😉
Cantina Popular
Schulterblatt 16
20357 Hamburg
Die Cantina Popular wird geführt von Maria Endrich und Alvaro Rodrigo Piña Otey, die vor einiger Zeit bereits das Bistro Carmagnole eröffnet haben. Unterstützt wird die Cantina Popular von Karl-Heinz Dellwo und der Schanzen-Prominenz Heinz Strunk. Der Autor von „Der goldene Handschuh“ ist auch als Mitglied von Studio Braun oder Fraktus durchaus bekannt.