Boom Baby

Die Schönheit nach einem verheerenden Unglück

Es ist 2.30 Uhr morgens in unserem Apartment mitten in Manila. Lärm, Luftverschmutzung und Dunkelheit. Die Straßen der Stadt, die von zaghaft brennenden, gelben Laternen beleuchtet werden, sind auch um diese Uhrzeit gefüllt. Der Doorman im Erdgeschoss sitzt hinter seinem Tresen und beobachtet gelangweilt das allnächtliche Geschehen. Das nervtötende Summen der Klimaanlage scheint nur meine müde Seele zu torpedieren.

Nach nur zwei Stunden leichtem Schlaf packten wir unsere Sachen und machten uns auf, ein verheerendes Naturschauspiel aus der Nähe zu betrachten. Unser spontaner Entschluss zum 100 km entfernten Vulkan Mount Pinatubo zu fahren wurde kurz vorm Einschlafen per Mail bestätigt. Das bedeutete für den Fahrer und uns zwei Stunden Nickerchen und sehr kleine, verschlafene Augen.

Traffic, traffic, traffic

Eines sollte man in Manila nie tun (eigentlich gilt das für die Philippinen insgesamt): Man darf nie die Fahrtzeiten unterschätzen. Selbst wenn es nur ca. 100 km sind, kann dieser Trip durchaus bis zu 5 Stunden dauern. Der Verkehr in Manila grenzt an schieren Wahnsinn und ist oft nicht berechenbar. Das ist auch der Grund, warum unser Ausflug schon so früh am Morgen beginnt.

Erste Sonnenstrahlen und ein Jeep für Abenteurer

Endlich angekommen landen wir auf einer sandigen Straße, einige Jeeps sind in diesen frühen Morgenstunden schon nebeneinander aufgereiht und einheimische Philippinos  wuseln aufgeregt von einer Seite zur anderen. Schneller als wir uns bewusst sind, sitzen wir schon auf der offenen Rückbank eines gelben, klapprigen Jeeps, der noch aus  der US-Amerikanischen Besatzungszeit stammt. Unser Tour-Guide sprang selbst in den vorderen Teil des Wagens und schrie dann noch belustigt zu uns nach hinten, dass wir uns besser festhalten sollen. Nach ein paar hundert Meter biegen wir in ein riesiges Flussbett ein. Entfernungen zu schätzen gehört nicht zu meinen Stärken, aber da wir kaum von einem Ende zum Nächsten sehen können, würde ich sagen, wir sind inmitten eines 2 km breiten, leeren Flussbetts. Halt! Langsam dämmert es uns: Das ist die Schneise, die durch die ausgetretene Lava ein Tal des Todes hinter sich gelassen hat. Der Vulkan Mount Pinatubo ist am 15 Juni 1991 ausgebrochen. Das mörderisches Schauspiel des explodierenden Vulkans hat damals für kurze Zeit die ganze Welt in Atem gehalten. Details zum Ausbruch findet ihr hier.

Durch Flüsse und skurrile Felsformationen

Der Tag beginnt langsam, alle Farben des Sonnenaufgangs begleiten unseren Weg, die Vögel bezwitschern den neuen Tag und wir fahren die Lava-Schneise weiter hinauf, weiter und weiter. Die Umgebung wirkt auf uns wie eine entrückte Welt, unwirklich, poetisch und wunderschön. Die morgendliche Stimmung der aufgehende Sonne und unsere Übermüdung durch den kurzen Schlaf in dieser Nacht trugen dazu sicherlich bei. Die Schneise durch die wir vom Jeep regelrecht geschaukelt werden (Das mit dem Festhalten hat unser lieber Guide wirklich ernst gemeint!) wird immer enger und die kleinen Bachläufe, die sich darin gebildet haben, sind mittlerweile viele reißende Flüsse – teilweise über einen Meter tief. Auch wenn es uns noch so unglaubwürdig erscheint, unser Fahrer taucht jedesmal wieder mit der Jeep-Schnauze ein und schafft es, mit der erstaunlich starken Maschine auch wieder heraus. Er ist ein wahrer Fahrkünstler.

Rings herum sehen wir, was der Vulkanausbruch angerichtet hat, ursprünglich wurde alles verwüstet, zerrissen und zerstört. Aber die Natur ist unaufhaltsam und so legt sich über die Wunden ein Kleid aus saftigen, dunkelgrünen Pflanzen, es wuchert  wie im Urwald und zeigt uns, dass es in der Natur keinen Stillstand gib, kein Gut und Böse. Es geht einfach immer weiter. Im Laufe der Jahre haben sich viele neue Pflanzenarten hier angesiedelt und es ist ein starkes Ökosystem aus dem Unglück wiedergeboren. Immer höher hinauf ging es für uns. Das letzte Stück durch die wilde Pflanzenpracht legen wir zu Fuß zurück. Auf den letzten Metern wurde es immer steiler und durch die Hitze auch Kraft raubender.

Krater in türkis

Hoch oben, nach mühsamen Stufen und mit steigender Aufregung erklimmen wir die letzten Meter und vor uns ersteckt sich ein unglaubliches Bild. Die Schönheit des türkisen Vulkansees mit den steil abgebrochenen Felswänden und mit Schilf bewachsenem Strand  hat mich erstmal sprachlos gemacht. Meine Kamera allerdings nicht… ich knipste und knipste, solange bis ich es wirklich geschafft hatte meinen Akku vollständig zu entleeren. Aber die Ruhe und monumentale Schönheit braucht keinen tausend Fotos, sie brauchte nur einen Moment der Bewunderung. Für mich war es eines dieser unglaublichen Erlebnisse, bei denen mein Herz viel zu schnell schlägt, ich mich beim Reden total verhasple und dann kichernd aufhöre zu quatschen. Grinsend natürlich 😉 Grinsend auch deshalb, weil man nach diesem Anstieg durch die Wildnis oben angekommen in ein perfekt präpariertes kleines Touristengebiet geworfen wird. Fein säuberlich gemähter Rasen, große Schilder für Selfies und Gruppenfotos und viele weitere Stufen und Sitzgelegenheiten. Ein Land der Gegensätze eben.

Und Los?

Diese wundervolle Tour solltet ihr nicht verpassen. Ich rate euch an einem Werktag ganz früh morgens loszufahren, um den Vulkan zu besuchen. Am besten außerhalb der Ferienzeit, dann seid ihr wie wir mit nur ca. 10 weiteren Touristen auf dem Track unterwegs – also fast allein. Nehmt euch ausreichend Wasser mit, ein paar Snacks, Sonnencreme (!) und feste Schuhe – auch wenn euer Tour-Guide die Strecke natürlich traditionell in Flip-Flops zurücklegt. Wenn ihr Kaffee-Trinker seid, dann freut euch auf die Ankunft am Krater, denn es gibt immer einen Philippino, der Unmengen an Softdrinks und natürlich Kaffee bis ganz nach oben schleppt – einfach sensationell.