Oasis – mystic places

Sanfte Gitarren-Sounds erfüllen den kleinen gelben Mietwagen.

Die staubigen Straßen des marokkanischen Hinterlands sind holprig und leer. Es ist Abend geworden, ich lasse meinen Blick über die unendlich erscheinende Landschaft mit zerklüfteten Felsformationen in Rot- und Gelbtönen schweifen. Meine Beine liegen ausgestreckt und übereinander gestapelt auf dem Armaturenbrett. Als ich das Fenster herunter kurble, drückt heiße Luft herein. Diese skurrile Wüstenlandschaft war die Filmkulisse zu vielen Abenteuerfilmen und verführt auch mich in die Welt der Träume: voll von heldenhaften Kämpfen, wunderschönen Frauen und rauschenden Festen. Russell Crowe und Lawrence von Arabien wandern durch meine Gedanken. Mein Held sitzt direkt neben mir, steuert das kleine Auto als wäre es ein Streitwagen. Wir erreichen unser Tagesziel kurz vor Sonnenuntergang: Agdz, eine kleine Palmenoase, nur wenige Kilometer bevor die sagenumwobene Sahara beginnt.

Das alte Riad in der Kasbah

Im Ort gibt es eine sehr alte Kasbah, eine Art früheres Dorf-Zentrum, der alte Kern. Sie ist vollständig aus Lehm gebaut worden und mittlerweile fast nicht mehr bewohnt – nur noch ein paar Familien leben noch in den kleinen Behausungen. Am Rande der Kasbah drängt sich ein großes Herrenhaus, ein Riad, in den Vordergrund. Ebenso aus Lehm erbaut, muss es damals den Herrschern, der reichsten Familie gehört haben. Eine Französin erstand das Riad vor einigen Jahren und wandelte ein paar Räume in Gästezimmer um, die restlichen stehen im Moment noch leer, sagt sie uns. Wir mieten uns für eine Nacht ein und wollen auch direkt ins Bett, denn morgen ganz früh soll unser Weg in die Wüste führen.

Die Hausherrin begleitet uns noch die Strecke zum Riad, in dem wir heute die einzigen Gäste sind. Mittlerweile ist es Nacht geworden, die Beleuchtung ist spärlich und wir erkennen nur schemenhaft die Umrisse des großen Gebäudes. Einmal durch die Eingangstür stehen wir in einem Innenhof von der Größe eines kleinen Fußballfelds, von dem aus die einzelnen Zimmer links und rechts abgehen. Unser Zimmer liegt im Erdgeschoss, darüber kommt noch ein Geschoss und dann das Dach. Das Zimmer der Budget-Unterkunft ist nicht besonders schön und vor allem sehr stickig. Die Hitze sei unerträglich zurzeit, erklärt uns die Besitzerin und rät uns im Zweifel einfach auf dem Dach zu schlafen. Unsere verwirrten und zweifelnden Blicke treffen sich kurz. Wir wissen jedoch beide sofort, dass wir auf die Schnelle keine andere Schlafmöglichkeit finden werden und stellen unser Gepäck erstmal ab.

 

Die kreischende Sirene

Alles ausgepackt und für die Nacht vorbereitet. Ich befinde mich auf der Suche nach dem Badezimmer… Draußen, links rum, sagte sie… Ich habe ein mulmiges Gefühl und möchte lieber nicht alleine gehen. Mein lieber Held muss natürlich mit. Wir bewegen uns vorsichtig durch die Dunkelheit, kein Licht, keine Lampe – zumindest nicht in der Nähe. Um uns herum  die trockenen Lehmwände, die uns in eine längst vergessene Zeit versetzen. Wir tappen weiter und erkennen einen Toiletten-Bereich, nach Frauen und Männern getrennt. Ich also rein. Es scheint niemand da zu sein. Der Bewegungsmelder geht an. Ich lege meine Hand auf die Türklinke und öffne sie. Und da erstarre ich für eine Sekunde zu einer Salzsäule, um mich auch direkt im Anschluss in eine kreischende Sirene zu verwandeln. Vor mir steht ein uralter Mann, ein Geist von einem Mann, mit den tiefsten Falten und lediglich ein oder zwei Zähnen, in heruntergelassenen Hosen. Deutlich erschrocken – fast so schlimm wie ich. Ich stolpere rückwärts und befinde mich, sozusagen von Null auf Hundert in wenigen Sekunden, im Vollsprint und hetze Richtung Tür. Allerdings nicht allzu lange, denn ich rumpele ungebremst in meinen Liebsten, der mir natürlich zu Hilfe eilte. Mein Herz klopft jetzt so intensiv, ich habe das Gefühl es füllt meinen gesamten Brustkorb aus. Mit zitternder Stimme versuchte ich Worte der Erklärung zu finden, ich finde aber keine. Völlig außer Atem drehe ich mich schließlich um und zeige zum Toiletten-Eingang: und da steht er, mein Geist oder soll ich eher sagen mein Greis? Er kichert und hebt seine Hände unschuldig in die Luft. Sein liebenswertes Lächeln beruhigt mich direkt und nun muss auch ich erleichtert lachen. Woher auch immer er kam, aber der alte Mann hatte sich wohl in der Tür geirrt.

Nest unterm Sternenhimmel

Die Nacht ist, wie schon zu erwarten war, katastrophal heiß. Im Zimmer haben sich wohl über die letzten Wochen Stechmücken eingenistet. Wir versuchen kurz sie zu bekämpfen, sehen aber schnell ein, dass wir weder heldenhaft, noch siegreich aus diesem Kampf hervorgehen können und geben auf. „Jeder nimmt was er tragen kann und los aufs Dach“ beschließen wir – wie empfohlen. Mittlerweile ist es schon weit nach Mitternacht und wir bauen uns ein Nest aus Decken unter freiem Sternenhimmel auf dem ungesicherten Hausdach des alten Riads. An Schlafen ist auch hier nicht zu denken, zu viele Geräusche und Ungewissheit über weitere Geister oder Greise, die hier vielleicht herumschleichen können. In der Ferne ist ein Fest zu erahnen, die Trommeln scheinen abwechselnd näher zu kommen und sich wieder zu entfernen. Wir fühlen uns wie auf einer kleinen Insel: gestrandet und müde. Eng aneinander gekuschelt unterhalten wir uns flüsternd. Die unzähligen Sterne am Himmel lassen uns ins Schwärmen geraten, bis wie von Zauberhand der Tag hereinzubrechen wagte. Wir selbst haben es noch lange nicht erkannt, aber die Tiere um uns herum werden merklich unruhig. Der Erste ist ein Esel. Er scheint ein Morgenmuffel zu sein, denn er beschwert sich so laut, dass davon der Hahn wach wird. Daraufhin folgen die bellenden Hunde. Erst einer, dann ein Nächster aus einer anderen Richtung und langsam stimmen alle mit ein, in ein immer lauter werdendes Orchester aus Geräuschen und Gewusel. Gerade als die Vögel anfangen zu zwitschern, beginnt der Weckruf des Muezzins. „Allaaaahhh uuuhhh-agbahr.“

Nun ist die Oase zum Leben erwacht! Die Vögel zwitschern wie wild durcheinander, als wären sie geschwätzige Tanten, die sich schon seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen haben. Langsam verstärken sich die Umrisse der Oase, wir erkennen den dichten Palmenwald von hier oben immer deutlicher. Wir können sogar bis zum Ende sehen, an der Stelle wo die Wüste schon heiß und tödlich alles Grüne vernichtet hat. Die verwinkelten alten Gassen der Kasbah werden durch das hereinbrechende Licht harmloser. Die bedrohliche Stimmung der Nacht weicht einer gemütlichen Betriebsamkeit. Die Welt um uns herum wird wieder freundlich. Der Trouble beruhigt uns und wir schlafen endlich ein, zufrieden und voller Vorfreude für den nächsten Tag.

Unter der Palme

Wir wachen auf, als die Sonne schon hoch am Himmel steht. Geweckt von der Hitze müssen wir uns schnell ein schattiges Plätzchen suchen. Ich erinnere mich daran, dass die Französin erzählte, dass der Pool am nächsten Morgen eingelassen werden soll und wir eilen schnell runter ins Zimmer, stopfen unsere Sachen in die Taschen und machen uns auf zum Haupthaus. Auf dem Weg dorthin begegnen wir dem alten Mann von letzter Nacht, der in aller Seelenruhe unter einer Palme zusammenfegt. Wir grüßen ihn und als er uns erkennt, beginnt er wie ein kleiner Schuljunge verschmitzt zu kichern.

Der Weg in die Küche

Als wir durch das Tor des Haupthauses gehen, weht uns ein köstlicher Geruch entgegen. Mit jedem Schritt wird er intensiver.

Es riecht nach geschmortem Gemüse und gebratenem Hühnchen. Nach vielen alten Gewürzen, wie Piment und Kümmel, Fenchel und Kardamom. Wir gehen ins Haus und wie so oft in den Marokkanischen Riads und Gästehäusern ist der Weg in die Küche nicht versperrt. Diesem wundervollen Geruch folgend, stehen wir kurz darauf neben der Köchin, die uns einen Blick in die nach oben spitz zulaufende Tajine gewährt. Die Tajine ist ein traditioneller Lehm-Topf, der mit Gemüse und wahlweise auch verschiedenen Fleischsorten gefüllt wird. Man mischt die Gewürze darunter – und manchmal auch Rosinen und Äpfel, um dem Gericht Süße zu geben und lässt alles auf dem Feuer für eine lange Zeit schmoren. Ein himmlisches Gericht und eine wundervolle Zubereitungsart. Nun war aber genug mit gucken und die Köchin schickt uns nach draußen, zeigt uns einen Tisch und schenkt uns frisch gebrühten Minz-Tee ein. Er duftet herrlich süß. „Es dauert noch etwas, bis das Essen fertig ist. In der Zwischenzeit könnt ihr euch im Pool erfrischen“, meint die Köchin. Der erste Sprung ist doch immer der Beste.

Tajine für zuhause

Die Playlist zum Kochen:

Die Zutaten:

Für 2 Personen:
300 gr Hähnchenkeulen
(eine vegetarische Variante könnte man gut mit Linsen oder Couscous machen)
2 frische Paprika
5 mittelgroße Kartoffeln
1 große Zwiebel
5 mittelgroße Tomaten
150 gr Rosinen
1 Knoblauchzehe
Ein bisschen Ingwer
1 -2 TL Kreuzkümmel
2 TL Paprikapulver
2 EL Honig
1 EL Zimt
Salz / Pfeffer
3 Wacholderbeeren
2 Lorbeerblätter
Olivenöl

Die Zubereitung:

  1. Ofen auf 150 Grad Umluft vorheizen.
  2. Hähnchenkeulen waschen, abtrocknen und mit Olivenöl, 1 TL Paprikapulver, Honig, klein gehacktem Knoblauch und Ingwer einreiben und ca. 30 Minuten einziehen lassen.
  3. Zwiebeln, Kartoffeln, Paprika und Tomaten in große Stücke zerteilen.
  4. Gemüse in eine Tajine, Römer Topf oder ähnliches Gefäß mit Deckel geben, etwas Olivenöl, die Wacholderbeeren und Lorbeerblätter sowie ausreichend Salz und Pfeffer hinzugeben und vermischen.
  5. Hähnchenkeulen darüberlegen und mit etwas Salz bestreuen.
    Deckel drauf und die Tajine in den Ofen verfrachten.
  6. In etwa, eine Stunde garen lassen – bis das Hühnchen durch ist.
  7. Wenn möglich lasst ihr das Ganze nun bei geöffnetem Deckel noch etwas knusprig werden. Aber Achtung, beobachtet es besser, sonst wird schnell alles etwas zuuuu braun 😉
  8. Anrichten. Essen fassen. Nachschlag. Zurücklehen und den Bauch streicheln.