Die Rettung naht.
Es ist staubig. Heiß und staubig. Und grell. Die Sonne steht hoch am blauen Himmel. Kein Baum, kein Haus, nicht mal ein richtiger Strauch säumt den Blick nach oben. Ein Stück abseits der Straße wuchern nur spröde, knorrige, knöchelhohe Büsche. Der Eyre-Highway von Adelaide nach Perth, vom Süden in den Westen Australiens führt durch die Todeszone, durch unsägliches, unwirtliches Land, die Nullarbor-Wüste (lat. nulla arbor ‚kein Baum‘). Oder von den Einheimischen auch Nullar-boring genannt.
Durch die Sonnenbrille blinzeln große blaue Augen, mein Blick schweift über hunderte von Kilometern, an der flimmernden, schnurgeraden Straße entlang. Der dritte Tag nachdem wir die Zivilisation verlassen haben. Unsere Reise führt uns einmal um den halben Kontinent, aber jetzt, genau in diesem Augenblick sind wir im Nirgendwo angekommen. Mein Begleiter Lance ist schon ein etwas älterer Herr, ein Freund der Familie. Wir haben uns vor etwa einem Monat das erste Mal gesehen, er fragte, ob ich ihn begleiten möchte – ein Auto an der Ostküste zu kaufen. Ich hatte noch nichts Besonderes geplant und stimmte kurzentschlossen zu.
Seit über drei Wochen sind wir jetzt unterwegs, durchquerten Queensland, New South Wales und Victoria – fast die gesamte Ostküste. Vorbei an Urwäldern, Korallenriffen, verwilderten Stränden und pulsierenden Städten. Wir schlürften Austern in Strandcafes und knackten Krebse in Hafenrestaurants. Zwei niedliche ältere Hippie-Girls mit Strohhüten auf der Durchgangsstraße nach Byron Bay, schenkten uns kichernd ein paar reife Avocados. Der Geschmack des Sommers, der Geruch von Barbecue in den Parks war uns noch in der Nase, ganz nah und vertraut. Doch hier, … hier in der kargen, sandigen Heimat von Schlangen, Dingos und – vor Jahrhunderten entlaufenen – Kamelen, scheint jede Hoffnung auf einen Gaumenschmaus utopisch.
Die von der Klimaanlage gekühlte Haut heizt in der Wüste innerhalb kürzester Zeit auf und beginnt unangenehm zu brennen. Ich werfe mir ein Seidentuch über. Ein Familienerbstück, das ich als Erinnerung mitgebracht habe, ein Stückchen Heimat in der Ferne. „Es ist unerträglich und meine Zigarette schmeckt widerlich“ – sage ich, die Zähne aufeinander gepresst – „lass uns einfach weiterfahren“. Den kurzen Kampf gegen die Wüstenfliegen verlieren wir kläglich und haben von nun an ein paar blinde Passagiere mit Flügeln an Board. Weiter gehts. Stundenlang. Geradeaus.
Langsam dämmert es, der Abend bricht herein und das Licht des Truck-Stops ist schon am Horizont zu erkennen. Seit über einer Stunde kommt uns kein anderes Auto mehr entgegen. Nicht mal einer der übergroßen Lastwägen – ein Road-Train – ist in Sichtweite. Mein Magen knurrt ungeduldig und auch Lance ist schon still geworden. Die letzten Tage waren anstrengend, anstrengend und lang. Der Truck-Stop hat ein paar wenige Gäste. Es ist die einzige Übernachtungsmöglichkeit weit und breit, aber es gibt noch Zimmer! Es sind eigentlich immer Zimmer frei, denn so etwas wie Hochsaison hat die Wüste nicht…
Ausgelaugt und müde betreten wir die Stube durch eine kleine Schwingtür. Ein paar Trucker am langen Holz-Tresen drehen sich zu uns um und nicken. Im Hintergrund läuft Country-Musik – das passt zur Einrichtung. Dicke Holzvertäfelungen, Geweihe an den Wänden, alles in die Jahre gekommen, staubig und etwas lieblos zusammengestellt. Ich blickte durch die Runde, nicke kurz zurück und nehme einen tiefen Atemzug… Ich hat´te etwas Anderes erwartet, ich hatte wer-weiß-was erwartet, aber das hatte ich nicht erwartet. Es riecht nach Gebäck, frischer Backware aus dem Ofen, herzhaft, süßlich und vollmundig. Der Duft von geschmortem Fleisch mit Wacholder, Lorbeerblättern und Zwiebeln kommt direkt aus der gegenüberliegenden Küche.
Erst jetzt bemerke ich diese eigentümliche Stimmung in der Stube. Es ist als ob alle Enkelkinder sonntags bei Oma am großen Esstisch sitzen und auf ihre Mahlzeit warten. Müde vom Spielen und draußen herrumtollen, aber voller Vorfreude, einige etwas quengelig… Es ist wie ein „nach Hause kommen“, wohlig, warm und einladend. Mein Herz macht einen kleinen Satz in meiner Brust. Ich drehe mich zu meinem Begleiter um und meine Mundwinkel beginnen leicht, aber stetig, nach oben zu wandern. Das Lächeln lässt sich schon kurz darauf nicht mehr verbergen. Mit glänzenden Augen erwidert auch Lance mein Grinsen – die Liebe zu gutem Essen hat uns von Anfang an verbunden. Auf der gigantischen Tafel über der Bar steht in großen Lettern: STEAK PIE – ALL YOU CAN EAT.
Eine kräftige Mahlzeit, serviert mit etwas Wirsing-Gemüse und Gravy – das ist mmmhhh-Bratensoße. Der Pie ist ein Britisches Gericht und in Australien weit verbreitet. Meistens gibt es ihn allerdings in abgespeckter Form als Fast Food in Tankstellen oder am Kiosk. Selbst gemacht ist es wie Großmutters Rinderbraten – klein geschnitten und in ein Blätterteig-Töpfchen gefüllt. Es duftet köstlich und beim ersten Biss in den Pie, entfaltet sich das volle Aroma von leckerem Steak, kräftigem Dunkelbier und buttrigem Blätterteig. Ein Gericht, das mich abends wohl genährt und entspannt in mein Bettchen fallen lässt. Eins ist mir nun wirklich klar geworden: Die Wüste hat viele Facetten. Auch eine köstliche.
Steak-Pie für Zuhause
Die Zutaten für 2 – 4 Personen:
Blätterteig (zwei Päckchen – könnt ihr natürlich auch selbst machen, aber das erhöht den Aufwand enorm)
2 schöne Steaks á 250 gr
250 ml Dunkelbier (nehmt eins das euch selbst gut schmeckt)
2 Eier
1-2 Zwiebeln
2 Knoblauchzehen
1 Stengel Thymian (50 gr)
1 EL Worcestersoße
1 frische Tomate
350 ml Rinderbrühe
1 kleine Schüssel Mehl
2 EL Öl zum Anbraten und Einfetten (Raps- oder Sonnenblumenöl)
Nach Belieben, könnt ihr auch noch ein paar Champignons, oder beispielsweise Karotten mit hinein geben – Hauptsache ist nur ihr schneidet alles klein.
Werkzeuge / Tools:
Muffin-Form
Pinsel
Für die Zubereitung kann ich euch nur das Video von Proper Tasty empfehlen – es ist sehr hilfreich: